Beim Nachwuchs der Gederner Segeflieger rauchen in Wintersaison die Köpfe.
Wenn die Segelflugsaison im Herbst endet, wird den Gederner Segelflieger immer ein wenig wehmütig ums Herz. Die nachlassende Thermik und die damit immer kürzer werdenden Flüge machen es ihnen dann aber doch etwas leichter, die Flugzeuge für die Überholung fertig zu machen.
Dabei werden alle Hände gebraucht. Die »alten Hasen«, wie Horst Böhnisch oder Peter Fuchs die jede Schraube und jede Sicherung kennen, geben ihr Wissen an die nächsten Generationen und die Flugschüler weiter. In den Werkstätten werden die Flugzeuge gereinigt sowie die Oberflächen poliert und auf Beschädigungen geprüft. Das Cockpit wird auseinandergenommen, alle Steuerseile werden kontrolliert, genau wie die Technik, zu denen der Funk und das Kollisionswarngerät »Flarm« gehören.
Rechnen und planen
Bei den Anwärtern auf die Pilotenlizenz rauchen in der Wintersaison zudem die Köpfe. An mehreren Wochenenden vermitteln die ehrenamtlichen Fluglehrer Tabata Oehlbrecht, Carmen Erb, Christian Mehl, Jörg Krumeich und Joachim Zweiböhmer ihnen das Wissen in neun Fächern, in denen später die Prüfung abgenommen wird. Neben Grundlagen des Fliegens, Allgemeiner Luftfahrzeugkunde, Aerodynamik, Technik, Luftrecht, Navigation und Meteorologie stehen auch menschliches Leistungsvermögen oder das Verhalten in besonderen Fällen auf dem Lehrplan. Es werden grundlegende Fragen geklärt, wie zum Beispiel »Warum fliegt ein Flugzeug überhaupt?«, »Wie funktioniert das Lenken in der Luft?« oder »Wer hat Vorfahrt, wenn ich einem anderen Flugzeug begegne?«. Es geht aber auch um spezielle Fragen wie »Warum fühle ich mich wie betrunken, wenn ich sehr hoch fliege?«, »Warum ist es gefährlich, in einer Wolke zu fliegen?« oder »Was mache ich in Notsituationen, zum Beispiel beim Ausfall des Funkgerätes?«.
Beim Luftrecht erfahren die Anwärter auf die Pilotenlizenz, dass der Einflug in eine Kontrollzone, ein Beschränkungsgebiet oder einen kontrollierten Luftraum ohne Genehmigung als Straftat verfolgt werden und schmerzhafte finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Spannend und praxisnah wird es dann bei Navigation, Flugleistung und Flugplanung. Ausgerüstet mit einem Navigationsdreieck (ähnlich einem Geo-Dreieck) und Luftfahrerkarten, in denen unter anderem die Lufträume abgebildet sind, suchen sich die Schüler über GPS-Koordinaten Ziel- und Abflugflugplatz – und dann wird gerechnet: von Kilometern in Meilen, von Fuß in Meter, von Stundenkilometer in Knoten. Außerdem wird die Sprit-Menge für die Strecke bestimmt. Das ist die essenzielle Vorbereitung für den ersten, 50 Kilometer langen Überlandflug, den jeder Flugschüler alleine mit Karte und ohne elektronische Hilfsmittel vor der Prüfung absolvieren muss.
Aber auch die Kommunikation in der Luft will gelernt sein. Daher ist der Erwerb eines Sprechfunksprechzeugnisses ein weiterer Schritt hin zur Pilotenlizenz. Jeder Prüfling muss dabei ein Flugzeug mental von einem Flugplatz zu einem anderen fliegen. Er muss immer wissen, wo er gerade ist (Höhe, Kurs, Position) und dabei Funkkontakt mit dem Fluglotsen halten, der vom Prüfer gesprochen wird.
Daher müssen die angehenden Segelflieger nicht nur die kurzen und unzweideutigen Funksprüche lernen, sondern auch wissen, welche Informationen des Fluglotsen so wichtig sind, dass sie »zurückgelesen« werden müssen, um Missverständnisse zu vermeiden.
Vor allem zu Beginn ist das durchaus schwer, weil viele und auch teilweise unbekannte Daten auf den Nachwuchs einprasseln, wie zum Beispiel »D-EKJB, rollen Sie zum Rollhalt Piste 05 über Rollwege Alpha, Charlie, Delta und November, Wind aus 05 mit 8 Knoten, QNH 1010, Squak 3354, melden Sie abflugbereit«. Daher beherrscht jeder Flugschüler zumindest einen Funkspruch ziemlich schnell: »D-EKJB – Bitte wiederholen«.
Neben dem vielen Wissen und Können, das vermittelt wird, stehen aber auch Spaß und Gemeinschaft im Vordergrund. Es wird gegrübelt, heiß diskutiert und viel gelacht.
Text: Mareike Sarrach